Wale und kleinere Fische
Manfred Reuthe spielt große romantische Klavierwerke
Fangen wir mit dem Wal an. Die Rede ist natürlich von Franz Liszts Sonate in h-Moll. Das ist die größte Klaviersonate aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und eines der größten Klavierwerke aller Zeiten.
Liszt ist es hier gelungen, einer damals bereits aussterbenden Form nochmals frisches Leben einzuhauchen – und was für ein hell-brennendes, pulsierendes, ja überschäumendes Leben es doch geworden ist.
Aus nur zwei – allerdings überaus prägnanten – Motiven und einem lyrischen Seitenthema webt Liszt einen ganzen Kosmos, der von wildem, tragischem Aufbegehren über mephistophelisches Gelächter und heroisch-grandiose Steigerungen bis zu zartester lyrischer Besinnung reicht, die jedoch genau über den Tropfen Kitsch verfügt, den jede große und halbwegs populäre Kunst braucht.
Die h-Moll Sonate von Liszt ist ein an den Konservatorien der Welt totgerittenes Bravourstück, das, einstmals großen Virtuosen vorbehalten, heute in jedem Pfarrsaal, bei jedem Klavierwettbewerb und bei jeder Abschlussprüfung im Konzertfach Klavier verhunzt und in seine Bestandteile zerlegt wird. Um so schöner also, wenn wir es hier so gespielt hören, wie das Werk gespielt werden sollte: virtuos-brillant, aber nicht donnernd; zart-innig, aber nicht vor Sentimentalität triefend; männlich-auftrumpfend, aber nicht lärmend und bombastisch.
Im Vergleich mit dieser Monster-Sonate erscheint alles andere auf dieser CD eine Nummer kleiner.
Liszts Consolation Nr. 3 ist ein schönes Nocturne, das zu den Lieblingsstücken von Vladimir Horowitz gehörte und deutlich den Nocturnes Chopins nachempfunden ist.
Die drei Petrarca-Sonetten, die aus Liszts frühen Wanderjahren in Italien und der Schweiz stammen, sind gewichtigere Kost und gehören zu Liszts besten und beliebtesten Original-Kompositionen. Diese Stücke wurden zwischen 1839 und 1846 komponiert, und wie bei Liszts unsterblichen Liebesträumen basiert der initiale Einfall jeweils auf einem Gedicht, in diesem Fall Sonetten des italienischen Humanisten Francesco Petrarca (1304-1374).
Chopins Klavierwalzer liegen technisch in Reichweite talentierter Amateure, zählen aber zu den abwechslungsreichsten und von Harmonik und Klaviersatz her besten Kompositionen des Polen, der sein ganzes Erwachsenenleben in Frankreich verbrachte.
Das Andante Spianato e Grande Polonaise brillante Es-Dur op. 22 besteht aus einer langsamen, klangschönen Einleitung und einer klavieristisch brillanten, mitreißenden Polonäse voller Schwung und Grandezza. Mit seinen chromatischen Skalen und seinen eingängigen Themen bildet es das ideale Schlussstück zu einem imaginären Klavierabend, den der Pianist uns hier bietet.
Prof. Manfred Reuthe gehört zu den Altmeistern am Klavier. Er hat auf der ganzen Welt konzertiert, unterrichtet und Klavierabende gegeben, aber wie der typische Klavierprofessor spielt er deshalb noch lange nicht – ganz im Gegenteil: selten wird man die h-Moll-Sonate von Liszt so zupackend, dramatisch und gleichzeitig innig wie auf dieser CD gehört haben.
Bestellnummer: BM312462
Mit Professor Manfred Reuthe gibt es folgende weitere CDs:
BM312461 Manfred Reuthe – Klavier (1)
BM312391 Klaviermusik von Milhaud, Messiaen, Ravel